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Tiertraining

Zwang oder Freude?

Verhalten zwischen Tier und Mensch kann auf verschiedene Weise beeinflusst bzw. trainiert werden. Die Basis sollte immer gegenseitiges Vertrauen sein. Das Tier, das mittels sog. positiver Verstärkung lernt, bleibt spielerisch, neugierig und interessiert. Eine Robbe oder ein Eisbär lassen sich weder erpressen noch bestrafen.
Das Verhalten kann aber in eine Richtung verändert werden, indem gewünschtes Verhalten positiv verstärkt wird und unerwünschtes Verhalten ignoriert wird. Die Ausbildung ist geprägt von Belohnung und Freude.

Was ist positive Verstärkung?

Jedes Tier zeigt aus menschlicher Sicht gewünschtes oder unerwünschtes Verhalten. Wenn es im Sinne einer Ausbildung korrekt handelt, dann sollte dies positiv verstärkt werden. In der Arbeit mit Zootieren kommt ausschließlich die positive Verstärkung zum Einsatz. Ein positiver Verstärker ist etwas, das ein Tier gerne haben möchte oder braucht, ein angenehmer Reiz. In der Arbeit mit Robben kommen neben Fisch, dem primären Verstärker, auch zahlreiche weitere Belohnungen zum Einsatz, z.B. Lob, ein Kraulen unter dem Kinn, eine Streicheleinheit, etc. Die Vorlieben sind da – abhängig von der Tierart und Persönlichkeit des Tieres – genauso unterschiedlich ausgeprägt wie bei den Haustieren. Wenn ein Tier sich weigert, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen oder ein bestimmtes Verhalten fehlerhaft ausführt, wird es vom Ausbilder schlichtweg ignoriert. Diese Philosophie, erwünschtes Verhalten zu verstärken und unerwünschtes Verhalten zu ignorieren, bildet die Basis.

Wie funktioniert das Target-Training bei den Robben?

Beim Target (engl. für Ziel) handelt es sich entweder um die Hand des Trainers oder um einen Ball an einem Stock und somit um eine Art verlängerte Hand des Trainers. Man macht sich die Neugier der Robben zu Nutze. Wird das Target mit den feinen Tasthaaren an der Schnauze oder der Nase inspiziert, ertönt im gleichen Augenblick ein Pfiff mit der Trainingspfeife und es folgen zur Belohnung Fisch und Lob.

Der ein oder andere Spaßvogel wird auch einmal herzhaft in den Ball beißen, doch dieses unerwünschte Verhalten wird komplett ignoriert und nicht belohnt. Auf diese Art verlieren die Robben schnell das Interesse an dieser Idee, da sie zu keinem für sie angenehmen Ergebnis führt.

Ist diese erste Übung „Super!-Ich-bekomme-eine-Belohnung-wenn-ich-mit-meiner-Nase-das-Target-berühre-ohne-in-den-Ball-zu-beißen“ verinnerlicht, so wird langsam und behutsam die Distanz zwischen Tier und Mensch verringert. Irgendwann stehen Trainer und Tier ganz entspannt beieinander. Und mit noch mehr Geduld lassen sich die Tiere irgendwann sogar von Punkt A nach Punkt B dirigieren.

Weiteren Möglichkeiten, Verhalten zu formen und zu verfeinern sind dann kaum Grenzen gesetzt.

Eine Brücke (Pfiff mit der Pfeife) kommuniziert dem Tier, dass es genau in diesem Moment etwas richtig gemacht hat. Dieser Stimulus überbrückt die geringfügige Lücke zwischen Verhalten und der positiven Verstärkung (Fisch).  Dieses unmittelbare Feedback ist wichtig, weil sich der Schüler manchmal ja auch weit entfernt vom Trainer aufhält und wissen muss, welche Handlung denn nun korrekt war. Der Schlüssel zum Erfolg ist Konsequenz.

Im fortgeschrittenen Stadium lernt das Tier auch, auf spezifische Signale oder Kommandos bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen. Ein Signal ist jedes Wort oder Geräusch, jede Berührung oder sichtbare Geste, die das Tier dazu veranlassen, sich speziell zu verhalten. Eine drehende Bewegung mit der Hand, anschließendes Strecken mit dem Zeigefinger in eine gewünschte Richtung (Handsignal) dirigiert die Robbe auf ihren Platz. Den Mundwinkel zu berühren (taktiles Signal) veranlasst die Robbe, das Maul zu öffnen.

Warum werden Zootiere trainiert?

Robben beispielsweise lernen spielerisch mit der Schnauze am Target zu bleiben, während ein Tierarzt sie in den Hals kneift, abtastet, abhorcht oder Augentropfen verabreicht. Ziel ist es, die Robben am ganzen Körper berühren zu können ohne herzhaft gebissen zu werden. Dies erfordert Zeit und Geduld, viele Trainingseinheiten und jede Menge Vertrauen. Ein Eisbär kann so spielerisch in eine Transportkiste gelotst werden, ohne dass er dafür in Narkose gelegt werden muss.

Darüber hinaus bilden die mehrmaligen Trainingseinheiten am Tag jede Menge Abwechslung und Beschäftigung. Das Verhalten im Allgemeinen verändert sich. Ein trainiertes Tier ist aufgeregt, es ist glücklich. Es brennt darauf, sich zu beweisen. Der tierische Schüler ist in ein Spiel eingebunden. Dies geht weit über den Wunsch nach Futter hinaus: „Wie schaffe ich es, dass mein Trainer pfeift oder mich anders lobt?“

Und nach dem Zoobesuch?

Für das Wohlbefinden der Haus- und Wildtiere in menschlicher Obhut ist es essentiell, dass elementare Bedürfnisse erfüllt sind. Neben Nahrung, Sexualität, Sicherheit, etc. ist das Spiel eine bedeutende Größe.

Vielleicht denkt der Halter eines „Problemhundes“ an ein Tiertraining im Zoo zurück, sobald der Vierbeiner aus menschlicher Sicht unerzogene Dinge macht. Spiel und Freude sind der Schlüssel zu einem harmonischen Miteinander und sie erwachen, sobald Verhalten positiv verstärkt wird. Eine große Auswahl an Literatur und zahlreiche gute Hundeschulen bieten ihre Dienste an, die Feinheiten der positiven Verstärkung zu vermitteln.

Und falls Ihnen ein Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich missfällt, dürfen Sie sich gerne auch in einem solchen Moment an das „Tiertraining im Zoo“ erinnern. Halten Sie Ausschau für ein Verhalten, das Ihnen gefällt und verstärken Sie dieses, anstatt zu kritisieren, zu rügen oder gar zu bestrafen. Lassen Sie sich überraschen und staunen Sie darüber, wie ähnlich sich alle Lebewesen sind.